Otto Siffling, der Rastelli der Fußballkugel

Ein begnadeter Stürmer des SV Waldhof starb vor zehn Jahren.

Am 20. Oktober 1939 starb der in 31 Länderspielen erprobte und talentierte Stürmer des SV Waldhof, Otto Siffling. Eine schwere Rippenfellentzündung raffte den erst 27jährigen Modellbauer plötzlich dahin. Die große internationale Sportgemeinde trauerte damals um diesen fairen Spieler, der die blauschwarzen Farben des SV Waldhof würdig in vielen Begegnungen trug. Die sportbegeisterten Mannheimer wollten es nicht fassen, daß dieser Ballkünstler sie nicht mehr erfreuend, hinter dem Ball herjagen soll.

Dr. Nerz und sein Trainer, Seppl Herberger, waren schon lange als alte Mannheimer Fußballer auf den Stürmer aufmerksam geworden, der als Modellbauer präzise Technik in handwerklicher Fertigkelt übertrug. Sein Umgang mit der Reißnadel, Winkel und Kaliber schulte sein technisches Denken. So war es kein Wunder, wenn er diese Technik gefühlsmäßig auf der großen Fläche eines Fußballplatzes in feinster Präzision ausführte und den staunenden Besuchern der Ränge ein bezauberndes Spiel zeigte. In den Länderspielen ließ er auf halbrechts den Ball variantenreich laufen. Nicht eigensinnig, dafür war der Otto zu bescheiden, sondern in schöner Mannschaftsharmonie.

In jenem berühmten Spiel am 10. Mai 1934, in Frankfurt am Main, Deutschland gegen Derby County, gingen die Briten in Führung bis Siffling kurz vor Halbzelt einen schönen Kopfball an Ernst Lehner zum 1:1-Ausgleich gab, der dann den Bann brach, um einen vielbejubelten 5:2-Sieg zu landen. Seine Teilnahme an den Weltmeisterschaftsspielen 1934 in Italien ließen sein Können in hellem Licht erstrahlen. Das ausgezeichnete Zusammenspiel mit seinem Nebenmann, dem Rechtsaußen Ernst Lehner, ergab auch in Stuttgart einen vielbeachteten 4:0-Sieg über die Schweiz. In Paris, Brüssel, Mailand, Rom, Oslo, Stockholm, Lissabon und Dublin bewunderten die Fußballfans die reife Kunst des Mannheimers.

Das schönste Spiel und die Krönung seiner Leistungen zeigte der Mittelstürmer Otto Siffling 1937 in Breslau mit der so berühmten „Breslauer Elf“: Jakob; Janes, Münzenberg; Kupfer, Goldbrunner, Kitzinger; Lehner, Gellesch, Siffling, Szepan und Urban. An dem 8:0-Sieg gegen Dänemark war der Rastelli des Lederballes maßgebend beteiligt. Seine feine Technik wurde unterstrichen mit fünf allein geschossenen Toren. Durch dieses große Können war Otto Siffllng das Thema des Tages in Deutschland. Dabei blieb er aber der einfache in sich gekehrte Sportler.

Otto Siffling trat allzu früh von der bunten Bühne des Sports, und hinterließ bei dem SV Waldhof eine fühlbare Lücke, die erst intensive Arbeit wieder füllen konnte. Heute zeigt die alte Waldhofschule schon wieder ihr bezauberndes Fußballspiel, das weit über die Grenzen unserer Stadt Beachtung findet. Waldhof ist auf allen Plätzen eine technisch gefürchtete, aber faire Mannschaft, die schon mehr als einmal in Schönheit unterging. Gerade diese Schönheit des Spiels erfreut immer wieder die Sportfreunde. ope.

aus: Mannheimer Morgen vom 22.10.1949 (Nr. 221), S. 7